Karsten Gundermann „WIR SIND DAS VOLK!“ Programmhefttext 8.11.2009 Als die ersten Ostdeutschen aus den Kirchenräumen auf die Straße gingen, um gegen die Staatsmacht der DDR zu protestieren, sprach man in den Medien von „einigen Radikalen und Krakeelern“. Polizei und Staatssicherheitsorgane arrestierten die Anführer, versuchten die Mitläufer einzuschüchtern und die Bewegung zu zersetzen. Als die Zahl der Demonstranten allein in Leipzig die 100 000 überschritten hatte und sich mehr und mehr Personen mit öffentlicher Reputation, Künstler, Wissenschaftler, ja selbst reformfreudige Genossen der Partei der Bewegung anschlossen, konnte niemand mehr von krakeelenden und randalierenden Einzeltätern sprechen. Der damals populäre Ruf „Wir sind das Volk!“ war zugleich Ausdruck des gewachsenen Selbstvertrauens der Demonstranten als auch der schwindenden Legitimation einer Staatsmacht, die seit Beginn ihres Bestehens stets „im Namen des Volkes der Deutschen Demokratischen Republik“ agierte. Der RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) stellte mir freundlicherweise eine Originaltonaufnahme einer Leipziger Demo vom Herbst 89 zur Verfügung, die ich mit Streichermusik collagierte: Ein klingendes Denkmal für die Menschen einer Zeit, als das Volk seiner Regierung friedlich, aber unmissverständlich das Mandat entzog und einer Regierung, deren Amtsinhaber mutig genug waren, Blutvergießen zu vermeiden.